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FORTSETZUNG IN SERIE - SÄEN


Na nun stehe ich im Dschungel - diesmal ist es mein eigener und kein Fremder worin ich meine mich auskennen zu können aber doch ständig über dicke Wurzeln Nebenstehender stolpere - und spreche laut.

Ich fühle mich fern, oder doch nah? Zu nah? Die Beine zappeln. Und in den Gedanken spazieren sie im Kreis. Ich klaue den Satz eines Freundes wenn ich sage, "Menschen leben nicht auf der Erde, ihre Körper essen auf der Erde aber sie leben in ihren Köpfen." Ein kurioses Bild das er mir damit zeichnet aber irgendwie hat er recht. Gedanken passieren plötzlich und am schönsten ist es sich für einen Moment in Fantasien zu verlieren. Erst vor ein paar Tagen ist das bewusster passiert denn je. Der Tag war lang und durchwachsen. Aufregend, voller E-Mails und Telefonaten. Ein unstimmiges Abendessen jedoch schon mit dem ersten nahezu-Fantasie-Erlebnis, als ich mir noch schnell die Händewaschen ging. Nur für Gäste. Sind wir. In einem Hinterhof. Die riesige Eisentür an der „dekadenten“ Promenadenstraße muss mit Wucht aufgestoßen werden. Und so landet man in einem Hinterhof. So gar nicht dem Vorne erwartend. Zwischen riesigen, voll gefüllten, sauer riechenden Mülltonnen hindurch geht der Blick geradewegs auf eine mediterrane Szene. Ein mickriger, wackeliger Kugelgrill propp gefüllt mit fraglich aussehenden marinierten Rippchen. Etwas abseits gestellt von einer klapprig zusammengeschusterten Tisch-Stuhl-Konstellation. Daran eine Familie. Mutter oder zwei und Kinder quer durch die Generationenentafel. Ein Vater - ich bediene mich der Titel um mir eine kleine Geschichte spinnen zu können - huscht hastig über den Hof. Lotst mich zur Toilette. „Diese Tür nicht abschließen, dann wieder aufmachen.“ Er zieht eine hinter mir für mich zu. Es wirkt wie ein Durchgang. Vielleicht zum Restaurant nach vorne. Vielleicht zu deren Wohnung. Ich schließe sie jedenfalls nicht ab, mit dem Risiko, dass mich gleich jemand im Rücken überraschen wird. Vor mir die Tür, sperre ich zu. Eilig. Nichts passiert. Hände waschen. Ich lasse das kalte Wasser einige Sekunden länger als für das Entfernen der Seife nötig über die Handrücken und Handgelenke laufen und trockne sie für noch mehr Erfrischung, an diesem heißen Tag, im Nacken ab. Das Essen in Packpapier liegt schon bei meiner Freundin auf dem Tisch vor ihr. Gemüseburger, Pommes mit Ketschup und Guacamole und ein kaltes Bier. Unstimmig aber irgendwie gerade richtig. Wir beide sind durch den Tag gewirbelt wie es noch immer unsere Blicke über das frühabendliche Treiben hier tun. Lange Gespräche, auch über das letzte Thema eines neu entdeckten Magazins - Zärtlichkeit - und eine verrückte Begegnung begleiteten dieses Abendessen. Unabsichtlich sah ich einem Fremden in die Augen und sagte einen Satz, der nicht wirklich für ihn bestimmt war. „Umarme mich“. Er gehörte einer kleinen Gruppe an, räumte dort gerade Kisten auf. Er umarmte mich. Kurz. Wohl auch eher unabsichtlich, für eine Sekunde. Mit seinen Augen. Dann gingen sie, ging er in die andere Richtung. Sein Blick wanderte aber nochmal zurück über die Schulter zu uns. Ich beendete irgendwie perplex weiter meine Sätze und starrte aber ebenso hinterher. Das alles passierte wie in zwei Welten. Einer Sprechwelt und der Welt in der die Augen herumwanderten.

Die umarmenden Augen verschwanden hinter einer Ecke. Wir mussten lachen und ich erzählte von meiner eben erlebten Erfahrung. Plötzlich ein zügiger Schritt auf uns zu - aus der Gruppe gelöst - steht er vor uns. Vor mir und meinem burgerverschmierten Gesicht: „Hi, ich weiß nicht wann mein Kopf mir so zugeredet hat, dass ich zurückgehen und dich ansprechen soll… ich weiß nicht was es war, aber ich glaube ich würde dich gerne kennenlernen.“

Wir stehen in Verbindung. Wir werden uns vielleicht demnächst wieder sehen. Vielleicht umarmt er mich.


Einer der Zufälle, die mich in letzter Zeit wie wild begleiten. Ich habe etwas laut ausgesprochen, so absurd es auch klingt, plötzlich folgt etwas Unerwartetes und eins reiht sich ans nächste. Infantiles Gejammer bringt ohnehin nichts. Das habe ich vor einiger Zeit abgelegt und finde es großartig. Diese Vorfreude, Nachfreude in Erntefreude und Genussfreude für den Moment und die danach ist wie ein kühles Entkrampfen in der Magengrube. Wie zehn Kugeln Eis und mehr. Gefühl eines erwarteten Komplotts, doch es bleibt bisher bei Zucker auf der Zunge und überragenden Sonnenuntergängen in dieser einen Straße und gut, auch ein paar anderen. Manche Kunst gedeiht aber eben auf begrenztem Raum. Manche muss frei schaukeln und auch mal aus der Hängematte fallen. Du willst deinen Anteil, also was setzt du dafür aufs Spiel? Ich bin ganz Mensch, ganz Dialogtier, jetzt ganz frei in Üppigkeit und Präzision und säe. Aber nicht mit den kleinen Fingersitzen vorsichtig wie eine Prise auf feuchte Erde, sondern greife ungeniert mit der ganzen Hand in den Kübel und werfe weit. Die Gießkanne, die schwere, leere ich geradewegs darüber aus. Diese Samen sind durstig. Jetzt heißt es abwarten, was wächst. Wie es wächst. Wie groß es wird. Ob es genießbar ist. Ich muss mich darum kümmern. Klar. Ich bleibe dran. Beobachte. Manchmal setze ich mich daneben und höre den Knospen zu. Manchmal rede ich mit den ersten kleinen grünen Stängeln die sich zeigen und hier und und da pflücke ich, jäte ich, ernte ich, damit gleich neues wachsen kann. Ein Erdapfel zum Beispiel. Oder zwei. Seltsamer Begriff, wer sich das wohl ausgedacht hat(?). Das frisch knackige Obst mit rot grüner Schale ist es jedenfalls nicht. Unerwartet dennoch voller köstlicher Möglichkeiten, man muss nur aufpassen, dass es am Ende nicht zu trocken wird. Und man braucht Salz.

Na nun stehe ich im Dschungel - diesmal ist es mein eigener und kein Fremder worin ich meine mich auskennen zu können aber doch ständig über dicke Wurzeln Nebenstehender stolpere - und spreche laut. Üblicherweise ist es ein Flüstern im Kopf. Aber dieser Rhythmus der plötzlich und unerwartet auftaucht, sich formt, sich entfaltet, sich bildet und dann breitmacht, sich regt. Mich regt. Versetzt mich in diesen unausweichlichen Drang den Jambus über die Lippen zu locken.

Laut auszusprechen und zu artikulieren, zu arrondieren. Das Territorium, das euphorische Gefühl. Es fühlt sich kurz an als hätte ich einen Fehler gemacht, fast kokett die Kassette gewechselt und mich dem Narzissmus hingeben wollen. Doch das ist es nicht.

Ich möchte mich laut hören, ihn laut hören, es laut hören laut hören. Den Jambus. Die Jamben. Im Unwillen und Widerstreben wie ein Ungezähmtes.


Lange war ich der Meinung ich hätte keinen Grünen Daumen, aber ähnlich wie diese Stimmungsringe aus den Neunzigern oder Flaschendrehen zu dieser Zeit - es wird heiß und es kommen überraschende Wendungen, irgendwann muss man sich entscheiden.

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